Geo-Engineering versus CO2-Einsparung?

Geo-Engineering versus CO2-Einsparung?

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Added by 6. Januar 2015


 

Klimaforschung: Lässt sich die Erderwärmung durch Technologien stoppen?

 

Die Erderwärmung fordert akuten Handlungsbedarf. Neben der Einsparung von Kohlendioxid gibt es theoretisch noch einen zweiten Weg, die durch die Technik des Menschen verursachte Klimaveränderung zu korrigieren: mit technischen Eingriffen. Allerdings wird „Geo-Engineering“, sagen Experten, weder preiswerter noch politisch einfacher umzusetzen sein.

 

Link-Empfehlungen der Redaktion zu weiterführenden Informationen:

– zu unserer Reportage „Swarm: das Magnetfeld im Visier“ – hier

– die Vorträge des Geophysikers Thomas Leisner und des Volkswirts Gernot Klepper anlässlich des „Klimafrühstücks“ des Deutschen Klima-Konsortiums – hier

– zu den Emissionsdaten 1990 bis 2012 von EDGAR der Europäischen Union – hier

 

Moderationstext der Studiosendung:

Glaubt man den Prognosen der Klimaforscher, dann werden sich apokalyptische Wetterszenarien wie solche Wirbelstürme weltweit mehren. Was heute in Hollywood-Streifen schaurig-schön in Szene gesetzt wird, könnte also morgen schon alltäglich werden. Und damit herzlich willkommen im Studio von HYPERRAUM.TV.

Die irdische Atmosphäre: Bei Sonnenauf- und -untergang zeigt sie sich den Astronauten als transparent leuchtende, ganz zarte Hülle um die Erde. Sie zu schützen, ist für uns jedoch lebenswichtig. Die Natur selbst greift immer wieder in das atmosphärische Gleichgewicht ein – beispielsweise bei Vulkanaus-brüchen. Es dauert Jahre, bis sich die Atmosphäre von solchen Naturkatastrophen erholt. Klimaforscher geben an, dass Vulkanasche, die in die Luft geblasen wird, in den unteren Schichten der Atmosphäre eine Halbwertszeit von ein bis zwei Jahren hat. Anders ist das mit Veränderungen in den hohen Schichten der Stratosphäre und der Troposphäre. Hier bilden sich durch die bei Vulkanausbrüchen frei gesetzten Gase Schwefelsäure-Tröpfchen, sogenannte Aerosole, die sich wesentlich länger halten.
Aber Vulkane erlöschen wieder – doch die menschlichen Schornsteine nicht. Auch sie führen zu laufender Verunreinigung der Luft. Und dieses Kohlenstoffdioxid bleibt dann sogar mehrere hundert bis Jahrtausende in der Atmosphäre und führt so zu dem befürchteten Treibhauseffekt. Das Ergebnis: Die Abgase fossiler Verbrennung aus unseren Schloten und Auspuffrohren bringen sie immer mehr und immer schneller aus ihrem fragilen Gleichgewicht. Den Besorgnis erregenden Anstieg der CO2-Emissionen zeigt diese Grafik der EU. Solche Auswertungen sind im Projekt EDGAR für jedermann abrufbar.

Der Satellit ENVISAT – zehn Jahre lang hat er zahlreiche globale Messdaten aus dem Orbit gesammelt, darunter auch von Kohlendioxid und Stickoxiden. Seit 2012 ist ENVISAT nicht mehr in Betrieb, doch die Daten sind für die Wissenschaft immer noch ein unerschöpfliches Reservoir. Dank verbesserter Algorithmen führt es zu neuen Erkenntnissen.

Jüngst gelang es Umweltphysikern der Uni Bremen dank einer neuen Auswertungsmethode, die gemessenen Kohlendioxid-Emissionen noch genauer zu analysieren. Das neue Verfahren macht sich zu Nutze, dass bei industriellen Verbrennungsprozessen in der Regel nicht nur Kohlendioxid, sondern unter anderem auch Stickoxide erzeugt werden. Weiter basiert die Analysemethode auf der Tatsache, dass technologisch erzeugtes Kohlendioxid im Vergleich zu den natürlichen Quellen und Senken eher punktuelle Signale erzeugt: das können Kraftwerke oder auch ganze Städte mit dem CO2 aus Heizungen und Fahrzeugen sein. Das Ergebnis der neuen Studie belegt: Dem rapiden Zuwachs im asiatischen Bereich steht eine minimale Einsparung in Nordamerika und Europa gegenüber – mit einem kleinen Lichtblick: In Ostasien steigen die Stickoxid-Emissionen weniger stark als die Kohlendioxid-Emissionen. Die Autoren der Studie erklären dies mit Fortschritten in der Technologie von Kraftwerken und Fahrzeugen. Doch die Lage spitzt sich zu. Schon jetzt mehren sich Wirbelstürme mit verheerenden Wirkungen wie der Hurricane Katrina, der 2005 New Orleans verwüstete.

Dass wir etwas tun müssen, darüber ist sich die Welt im Klaren. An vielen Stellen wird ideenreich versucht, Energieeffizienz zu unterstützen – sogar schon mit Big Data, wie Beispiele des weltweiten Wettbewerbs “Big Data Climate Challenge” der UN offenbaren. Ein Widget für das Green Routing mit einem Rechner für den Kohlen-dioxid-Ausstoß einer Autofahrt oder das Megacities Carbon Project, das für ausgewählte Städte wie Los Angeles die CO2-Belastung ermittelt. Sie schaffen zwar noch mehr Bewusstsein für die Krise, aber für skalierbare Effekte reichen solche zweifellos spannenden Kreativszenarien bei weitem nicht aus. Dafür braucht es Konsens auf der Bühne der globalen Politik. Da geht es dann auch um unterschiedliche nationale Interessen … ein schwieriges Unterfangen. Wie viel Zeit bleibt uns, ehe die Klimakatastrophe über uns hereinbricht? Wann erreichen wir den „Point of no Return“? Und gibt es neben der Reduzierung von Kohlendioxid noch einen zweiten, den anderen Weg: Lässt sich die durch die Technik verursachte Klima-Manipulation durch einen weiteren technologischen Ein-griff wieder korrigieren?

Das waren noch Zeiten, als Jack Williamson in den Vierzigern den Science Fiction Roman „Collision Orbit“ schrieb. Darin wird der Mond von einem toten Gesteinstrabanten in eine grüne Erde verwandelt. Das nannte er „Terraforming“ – der Mensch formt sich fremde Himmelsköper nach seinem eigenen Gustus. Aus roten Wüsten werden grüne Oasen, Festland verwandelt sich in Meere … das „Genesisprojekt“ in „Star Trek“ 1982: ein cineastisches Highlight des aufkommenden Computertricks.

Terraforming hat seinen Weg aus den Weiten des Weltraums inzwischen zurück auf die Erde gefunden. Da heißt es nun Climate Engineering – oder in bestem Denglisch auch Geo-Engineering. Diskutiert wird ein breites Spektrum an technologischen Ideen, das Thomas Leisner anlässlich einer Veranstaltung des Deutschen Klima-Konsortiums präsentierte.

O-Ton Prof. Dr. Thomas Leisner, Direktor und wiss. Sprecher des KIT-Zentrums für Klima und Umwelt

Dennoch: Die Metalogik eines „zusätzlichen menschlichen Eingriffs ins Klima als Gegenmaßnahme zum menschlichen Eingriff durch Treibhausgase“ wird nicht nur von Technokraten, Ölkonzernen oder der Kraftwerksszene propagiert. Der prominente Atmosphärenforscher Paul Curtzen, Nobelpreisträger für Chemie, hat schon 2006 in der Zeitschrift Climate Change folgenden Vorschlag unterbreitet: 1,5 Millionen Tonnen Schwefeldioxid-Partikel rein in die Atmosphäre – und das Problem der Erderwärmung sei gelöst. Selbst das so konservative Alfred-Wegener-Institut hat 2009 gemeinsam mit dem indischen National Institute of Oceanography einen Beitrag dazu geleistet. In dem politisch stark umstrittenen Projekt LOHAFEX befassten sich die Forscher mit der Frage, welche Wirkungen die Meeresdüngung mit Eisensulfat auf das Wachstum von Plankton und Biosphäre hat. Denn Algen sind Kohlendioxid-Fresser. Zwanzig Tonnen Eisensulfat wurden im Süd-atlantik vor dem chilenischen Ort Punta Arenas ausgebracht – in einem Gebiet von etwa dreihundert qkm.

In zwei Wochen verdoppelte sich das Wachstum der Algen – und lockte Krebse an, die sich daran gütlich taten. Die wiederum haben viele in der Nahrungskette höher stehende Fische angelockt und wurden von diesen gefressen. Zwar reduzierte das gesteigerte Plankton-wachstum CO2, doch mit gewissem Zeitverzug produzierte das dadurch erzeugte Mehr an Fischen wiederum neues Kohlendioxid. Unter dem Strich bewegte sich also so gut wie nichts – in der Pressemeldung hieß es deshalb recht lakonisch: Das Projekt habe Hoffnungen gedämpft, mit derlei Methoden den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Das komplexe Geosystem ist so einfach nicht zu überlisten – und ganz billig wird’s wohl auch nicht.

O-Ton Prof. Dr. Thomas Leisner, Direktor und wiss. Sprecher des KIT-Zentrums für Klima und Umwelt

Je länger die internationale Diskussion recht hilflos wirkender Politiker unter dem Strich ergebnislos bleibt, desto lauter mehren sich Stimmen, man könnte dem unerwünschten Klimawandel besser technisch-progressiv als politisch-reduzierend beikommen. Immerhin gibt es inzwischen ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Thema Geo-Engineering. Forschung tut Not. Aber es geht nicht nur um wissenschaftlich-technische Fragestellungen, um Technikfolgenabschätzung oder deren ethische Bewertung.

Wer glaubt, Geo-Engineering wäre die einfachere Methode zur politischen Umsetzung von Klimazielen, den enttäuschen die Experten. Noch weitgehend unbeachtet bleiben derzeit die rechtlichen Aspekte des alternativen Wegs, der in ihrer Wirkung per se den ganzen Globus betrifft. Damit ist Geo-Engineering eine Frage des inter-nationalen Völkerrechts. Niemand kann heute sagen, wie solche Projekte nach bestehender Rechtslage überhaupt umgesetzt werden können oder besser: dürfen. Hören wir dazu Gernot Klepper vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.

O-Ton Prof. Dr. Gernot Klepper, Institut für Weltwirtschaft Uni Kiel und stellv. Vorsitzender des Deutschen Klimakonsortiums

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind bei der politisch festgelegten Reduzierung des CO2-Ausstoßes bestenfalls im Mittelmaß, führen derzeit aber schon eine öffentliche Debatte über das Climate Engineering. Noch ist das Ergebnis offen. Aber wie Drohnenkrieg und NSA-Affäre in jüngster Vergangenheit zeigen, gehört Rücksichtnahme auf andere Länder nicht unbedingt zum Entscheidungs-Set ihrer Politik. Wenn also die USA ins Geo-Engineering einzusteigen wollen, wird sie die Unbestimmtheit des internationalen Völkerrechts daran kaum hindern. Gleiches gilt für den erwachenden Riesen im Osten der Welt.

Die Staatengemeinschaft der Alten Welt hat das Thema bisher nur unzureichend auf der Agenda. Sie sollte sich in die internationale Meinungsbildung einschalten und sie mit gestalten. Wie wäre es, wenn wir nicht nur forschend tätig werden, sondern jetzt sofort mit einer breiten öffentlichen Diskussion über die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen des Geo-Engineering beginnen?


 
Erstsendung: Januar 2015

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