Neugier, Big Data und die zweite Evolution

Neugier, Big Data und die zweite Evolution

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Added by 23. Dezember 2013


 

Ein weihnachtlicher Zwischenruf der Redaktion zum Jahresausklang

 

Der Mensch stößt die Tür zu einer zweiten Evolution auf. Die Grundlagen dafür werden heute auf breiter Front und in ganz unterschiedlichen Forschungsbereichen gelegt. Sie reichen von der Genetik und der Biotechnologie bis zur Robotik und der Informationsverarbeitung im Internet. Letztlich geht es dabei um nur philosophisch zu behandelnde Fragen über die kosmische Evolution, den Sinn des Lebens und das, was der Mensch daraus ableiten kann.

 

Link-Empfehlungen der Redaktion zu weiterführenden Informationen:

– zu unserem Talk mit Wolf Singer über Hirnforschung, komplexe Systeme und das Zusammenwachsen von Biologie und Physikhier

– mehr über die theoretischen Kognitionsforschungen von Jochen Triesch und das Lernen von Babyshier

 

Mehr zum Inhalt des Videos:

Die „Zweite Schöpfung“ ist vordergründig ein Thema der Biologie, das viele ethische Fragen aufwirft. Zunehmende Kenntnisse in der Genetik erlauben es dem Menschen, in die Entwicklung des Lebens selbst einzugreifen. Die Tür zur biotechnischen Zeugung von Designer-Lebewesen ist heute bereits aufgestoßen. Warum sollte die Entwicklung vor dem Menschen halt machen? Der Homo Sapiens war immer schon auf der Suche nach Vollkommenheit – und die Biotechnologie wird ihm dazu verhelfen.

Doch das ist nur ein Teil dieser Geschichte. Denn der Beginn der „Zweiten Schöpfung“ findet in der Wissenschaft auf breiter Front statt. Es gibt viele Ausprägungen – zum Beispiel diese: Die Robotik entwickelt intelligente, auf spezielle Aufgaben zugeschnittene Ersatzteile für den Menschen. Es geht perspektivisch nicht nur um neue Gliedmaßen für Schwerverletzte. Der Mensch hat auch individuelle Vorlieben, und um darin besser zu werden, ist ihm jedes technische Hilfsmittel recht. Doping der nächsten Generation … Dahinter steht ein gewaltiger Massenmarkt im Entertainmentbereich, der solche Ansätze treiben wird. Die einen wollen Weltfußballer, die anderen Olympiasieger werden – mit allen darin eingeschlossenen kommerziellen Perspektiven. Dafür brauchen sie den möglichst perfekt auf diese Aufgabe zugeschnittenen Körper. Viele wären schon heute bereit, sich so verändern zu lassen, dass sie schneller, höher, weiter kommen als andere. Die Robotik wird das möglich machen. Hybride Wesen mit speziellen, hochperfektionierten Fertigkeiten – teils Mensch, teils intelligente Sportmaschine?

Die Robotik wird als Teil des „Lebensspiels der Evolution“ noch viel mehr entfachen – „Mensch spielt Gott“ mit einer zweiten, einer rein technoiden Evolution. Sie wird nicht nur intelligente Ersatzteile, sondern eigenständige Wesen nach seinem eigenen Vorbild hervor bringen, die sich vom Menschen entkoppeln und ihr autonomes Leben führen. Eine kleine Gruppe extravaganter Robotiker arbeitet schon heute an diesen Anfängen: Sie pflanzen Maschinen das ein, was beim Menschen Neugier heißt. Eine elementare Überlebensstrategie, die die biologische Evolution auf diesem Planeten als äußerst hilfreiche Methode für die Exploration der Umwelt entwickelt hat. Sie hat der emotional gesteuerten Neugier die rationale Fähigkeit zur Prognose als Pendant zur Seite gestellt – also das bewusste Hinterfragen der anvisierten Ziele auf ihre erwünschten oder unerwünschten Auswirkungen.

Früher musste sich der Mensch fragen, welche Gefahren für ihn persönlich hinter dem Berg lauern könnten, heute geht es darum, die gesellschaftlichen Auswirkungen solcher Biotechnologien im weitesten Sinn abzuschätzen. Auch heute kann jeder Wissenschaftler diese Gefahren für sich sehr persönlich bewerten. Er ist frei in seiner Entscheidung, an solchen Entwicklung teilzunehmen oder auch nicht, weil er sie für zu gefährlich hält. In einer Weltbevölkerung von acht Milliarden Menschen ist es allerdings statistisch auszuschließen, dass Bedenken dieser Art irgendeine Relevanz im Bezug auf die tatsächliche Verhinderung solcher Entwicklungen haben.

Auch heute noch muss der Mensch Prognosen seines Handelns individuell abwägen. Neugierige Roboter werden das künftig anders lösen. Sie werden sich dafür des Netzes bedienen und wahrscheinlich die ersten intelligenten Wesen auf diesem Planeten sein, die ihre Neugier dazu bringen wird, sich direkt online zu vernetzen. So stehen ihnen all die darin gelagerten Informationen einschließlich der prognostischen Big-Data-Algorithmen als Entscheidungshilfe zur Verfügung.

Und der Mensch? Wird er den Maschinen dann folgen und auch das riesige Netzreservoir jederzeit und überall kollektiv nutzen? Der Mensch – individueller Teil einer gewaltigen Netzstruktur … Social Media – nur der müde Anfang ein gewaltigen mentalen Umwälzung? … Ciscos „Internet von allem“ – in uns selbst?

Das Fazit: Bioethiker, die heute versuchen, das Evolutionsspiel des Möglichen zu verhindern, stehen schon jetzt auf verlorenem Posten. Die zweite Evolution bricht sich Bahn – und das in vielen Facetten. Es ist nur eine Frage der Zeit.

Am Ende ist es unter universaler Betrachtung sowieso wenig bedeutsam, ob der Mensch mit der zweiten Evolution erfolgreich wird oder am Ende doch Versuch und Irrtum festzustellen ist. Der Anthropozentrismus hat seine Bedeutung längst eingebüßt. Denn auch wenn wir bisher keinen Kontakt zu ihnen haben: Das Universum hat zweifellos unzählige, ganz verschiedenartige Arten von intelligenten Wesen hervorgebracht, wie das schon Immanuel Kant vor Jahrhunderten postulierte. Noch sind unsere Hilfsmittel unzureichend, um diese Pluralität nachweisen zu können. Aber die explodierende Zahl der gefundenen Exoplaneten im Kosmos lassen am Horizont die Erkenntnis entstehen: Viele dieser Wesen müssen heute in zahllosen, weit entfernten Teilen des Kosmos zwangsläufig auch der zweiten Evolution ihrer Spezies unterworfen sein – oder sie vielleicht schon erfolgreich vollzogen haben!

© mce mediacomeurope GmbH 2013

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